Aitiologien: Figuren und Funktionen begründenden Erzählens in Wissenschaft und Literatur
Die Forschungsgruppe Aitiologien perspektiviert die Faszination von Anfängen und die Suche nach Ursprüngen vom Standpunkt ihrer gegenwärtigen und retrospektiven Konstruktion und Funktionalisierung.
Anfangsgeschichten – mit dem heuristischen Instrument der Aitiologie (der Erzählung von Anfang, Grund und Ursache) betrachtet – enthalten politische, ästhetische, religiöse, lebenswissenschaftliche Programme für die jeweilige Gegenwart, die sie begründen. Untersucht werden Kosmologien, Schöpfungserzählungen, literarische und wissenschaftliche Urszenen sowie politische Gründungsnarrative mit Blick auf ihre jeweiligen Zeit-Rhetoriken. Der argumentative Grundton aitiologischer Narrative lenkt die Aufmerksamkeit dabei auf die Schnittstelle von Literatur und Wissenschaft und rückt Wissensdiskurse in der Literatur sowie die Fiktionalisierung wissenschaftlicher Hypothesen in den Fokus. Dabei wird stets gefragt, ob Anfänge ideologisch oder metaphysisch auratisiert werden oder ob (und wie) literarische Verfahren eher einer Entauratisierung zuarbeiten, die Linearität und Kausalität in Frage stellt. Die Fokussierung auf Anfänge verbindet das Forschungsprogramm schließlich mit dem aktuellen Interesse an zu Ende gehenden Zeitaltern der Erdgeschichte und ihrer je eigenen Aitiologie – sowohl in ästhetischen als auch in politischen Diskursen.
Forschungsstruktur
In der Forschungsgruppe arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den folgenden Bereichen zusammen: Gräzistik/Religionswissenschaft, Latinistik, Theologie (Neues Testament), Anglistik, Mittellateinischen Philologie und Geschichte der Mythenforschung, Geschichte der Naturwissenschaften bzw. Wissenschaftstheorie, Politikwissenschaft und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft.
Teilprojekte der Forschungsgruppe
Die acht Teilprojekte kooperieren in unterschiedlichen Konstellationen miteinander: Es gibt thematische und konzeptionelle Schlüsselbegriffe, die einige der Teilprojekte miteinander verbinden: so etwa Schöpfung (TP3, TP5, TP9), Ideologien (TP1, TP6, TP8), Fragen der ästhetischen Darstellung (TP 1, TP4, TP5, TP9) oder naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle (TP6 und TP7).
Die übergeordnete Architektur besteht aus vier Schwerpunkten: A) Aitiologie und Zeitlichkeit; B) Aitiologie und Autorität; C) Aitiologie und Literarizität; D) Epistemologie der Aitiologie. Jedes Teilprojekt ist zwei Schwerpunkten zugeordnet, die Schwerpunkte bilden zudem den Rahmen für Jahrestagungen, Ringvorlesungen und Workshops.
Aitiologien ist eine durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsgruppe, eingerichtet an der Freien Universität Berlin.